Im Herbst 2000 und Anfang 2001 gab es in der Stadt Weiden i. d. Opf. einige sehr bedauerliche Anschläge gegen Einrichtungen der Jüdischen Gemeinde. In Abständen von etwa zwei Monaten wurde u.a. ein Mahnmal mit Farbe beschmiert und das Firmengebäude der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde sowie die Synagoge mit Steinen beworfen.
Der Oberbürgermeister der Stadt hat die Anschläge mehrfach entschieden öffentlich verurteilt. Auch die Kirchen und viele Vereine haben die feigen Taten missbilligt. Ebenso haben die Bürger der Stadt sicher einhellig die Steinwürfe und die Schmierereien verurteilt. Ich persönlich kenne jedenfalls niemand, der ein solch schändliches Tun gebilligt hätte. Nach eigenen Angaben hat die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde dementsprechend zahlreiche Solidaritätsbekundungen aus der Bevölkerung erhalten.
Die örtliche Polizei hat zur Intensivierung der Fahndung nach dem Täter eine Sonderkommission eingerichtet. Trotz verstärkter Fahndungsanstrengungen gibt es leider bis heute keinerlei Erkenntnisse über den bzw. die Täter. Der Oberbürgermeister der Stadt setzte zusätzlich eine Belohnung in Höhe von 10.000 DM aus für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen.
Nach meiner Einschätzung kommen als Täter grundsätzlich mindestens drei Tätergruppen in Frage. So könnten es sicherlich fanatische Rechtsradikale gewesen sein, obwohl es meiner Meinung nach in Weiden keine ausgeprägt rechtsradikale Szene gibt. Gegen die Annahme von fanatischen Rechtsradikalen spricht ferner, dass es bei allen Anschlägen zu keinerlei sog. Propagandadelikten gekommen ist. Gerade fanatische Radikale hinterlassen üblicherweise Hetzparolen oder - symbole. Im vorliegenden Fall wurde "nur" ein Farbbehälter gegen das Ehrenmal geschleudert.
Als Täter kommen neben Rechtsradikalen durchaus auch völlig unpolitische Chaoten oder Rowdys in Frage. Solche Rowdys treiben ihr Unwesen vor allem dort, wo sie sich sicher sein können, dass die öffentliche Reaktion stark sein wird. Offensichtlich haben sie in ihrer verqueren Art "Spaß" daran. Vergleichbar wäre dieses verwerfliche Verhalten mit dem jener Menschen, die in öffentlichen Gebäuden (Schulen. Rathäuser, Gerichte, Wertpapierbörsen, Flughäfen etc.) anrufen und "aus Jux und Tollerei" ankündigen, dass eine Bombe hochgeht. Es bereitet ihnen in seltsam perverser Art Freude, wenn Gebäude geräumt werden müssen und Menschen in Angst versetzt werden. Beispiele hierfür gibt es überall auf der Welt leider in großer Zahl.
In der Öffentlichkeit wird bei den Untaten solcher Rowdys und Chaoten häufig vorschnell von einem politischen oder rassistischen Hintergrund ausgegangen.
Vor einigen Jahren vermutete die veröffentlichte Meinung schlimmsten Rechtsextremismus, als in Floß, einem Ort in der Nähe Weidens auf dem jüdischen Friedhof Grabsteine umgeworfen und beschädigt wurden. Inzwischen stellte sich eindeutig heraus, dass es sich dabei nicht um eine politisch motivierte Straftat gehandelt hatte. In einem Bericht des Bayerischen Landtages heißt es: "Bei der Polizeidirektion Weiden wurde wegen mehrerer Sachbeschädigungen vom 24.8. bis zum 26.8.1997 im jüdischen Friedhof in der Gemeinde Floß eine Sonderermittlungsgruppe gebildet. Zahlreiche Grabsteine waren umgeworfen worden, die teilweise zerbrachen. Da man zunächst von einer Straftat mit antisemitischem Hintergrund ausging, wurde eine Arbeitsgruppe gebildet.
Als Täter konnte ein Jugendlicher ermittelt werden, der zur Tatzeit angetrunken war. Der Jugendliche wurde am 11.12.1997 durch das Amtsgericht Weiden wegen der Sachbeschädigung unter Einbeziehung weiterer, ebenfalls nicht politisch motivierter Straftaten (Diebstähle in mehreren Fällen, Körperverletzung und einem Vergehen nach dem Tierschutzgesetz), zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren ohne Bewährung verurteilt" (Drucksache 14/4584 des Bayerischen Landtags, S. 4).
Keinesfalls kann als dritte potentielle Tätergruppe ausgeschlossen werden, dass Palästinenser oder allgemein formuliert, Menschen arabischer Abstammung, am Werk waren. Wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass Palästinenser seit Jahrzehnten völkerrechtswidrig von Israel aus ihren Wohngebieten vertrieben und in menschenverachtender Weise gedemütigt, gefoltert und wirtschaftlich geknebelt werden. Diese Tatsache führt bei diesem geknechteten Volk angesichts der aussichtslosen Situation oft zu Kurzschlusshandlungen.
Noch gut in Erinnerung ist der Anschlag auf die Synagoge in Düsseldorf im Jahre 2000. Regierung und Welt-Presse sprachen vorschnell von deutschen Rechtsradikalen als Täter. Hinterher stellte sich dann heraus, dass die Täter arabischer Abstammung waren und mit dem (durch nichts zu rechtfertigenden!) Anschlag auf die Synagoge gegen die Unterdrückung der Palästinenser durch Israel protestieren wollten.
Insbesondere wenn Vorfälle in der Öffentlichkeit starke Beachtung finden (z.B. auch gegen jüdische Einrichtungen gerichtete Aktionen), gibt es zahlreiche Trittbrettfahrer.
Leider gibt es meines Wissens noch keine genaueren empirischen Untersuchungen zur "Psychologie des Trittbrettfahrers". Trotzdem glauben Wissenschaftler eine Charakterisierung derartiger Nachahmungstäter vornehmen zu können. Der Polizeipsychologe Adolf Gallwitz, der an der Polizeifachhochschule Villingen-Schwenningen lehrt, hat eine größere Anzahl von bisherigen einschlägigen Verurteilungen analysiert. Er unterscheidet fünf verschiedene Typen, die unterschiedlich gefährlich sind.
"Häufig handelt es sich um Jugendliche und junge Erwachsene, die nach Abwechslung in der Spaß - und Erlebnisgesellschaft suchen. `Typisch ist, dass die Taten in einer Clique begangen werden und man sich gegenseitig damit brüstet´, sagt Gallwitz. Die Handlungen seien ein Zeichen von Unreife, damit aber nicht unbedingt ungefährlich, wie sich bei einigen Nachahmungstätern im Fall der Steinewerfer von Autobahnbrücken gezeigt habe.
Der gefährlichste Typ von Trittbrettfahrern sei der Psychotiker, der durch ein bestimmtes Ereignis nun die Zeit für den eigenen Kreuzzug gekommen halte. `Das sind Menschen vom Typ wie der `Unnabomber´: Sensibel, mit idealistischen Gedanken und Sendungsbewusstsein, aber schweren psychischen Schäden´.
Der `klassische´ Trittbrettfahrer handle dagegen eher aus niederen persönlichen Beweggründen. `Das sind Leute, die sich von der Polizei, von einer Firma oder von der Gesellschaft allgemein aus den unterschiedlichsten Gründen ungerecht behandelt fühlen und die Gunst der Stunde nutzen, um sich zu rächen´. Zumeist seien es in der sozialen Hierarchie eher unten stehende Menschen, die aber selten wirklich kriminelle Energie entwickelten.
Diese Gefahr gebe es aber bei einem weiteren Typ von Trittbrettfahrern, den Gallwitz speziell durch die amerikanischen Angriffe auf Afghanistan hervorgerufen sieht: `Das sind junge Islamisten, in Deutschland geboren, die nun ein neues Zugehörigkeitsgefühl zur islamischen Welt erleben, während sie sich hier als relativ weit unten stehend in der Gesellschaft empfinden´.
Als fünften, aber sehr seltenen Typ von Trittbrettfahrern bezeichnet Gallwitz Menschen, die wegen der tatsächlichen Ereignisse unter extremen Ängsten litten und sich durch die Vortäuschungen einer Gefahr von den Sicherheitsmechanismen überzeugen wollen. `Die wollen mal sehen, was passiert´.
Grundsätzlich gelte: Je länger und reißerischer die Medien berichteten, desto länger sei mit dem Auftreten von Trittbrettfahrern zu rechnen" (FAZ v. 18.10.2001).
Nach einem Bericht der Zeitung Die Welt (Ausgabe v. 14.12.2001) hat es in Deutschland vom 11. September 2001 bis Mitte Dezember 2001 rund 1500 falsche Milzbrand-Alarme gegeben. Der Feuerwehrverband (DEV) hat daher gefordert, das Strafmaß für Trittbrettfahrer drastisch zu verschärfen.
Dass es leider auch in der Weidener Gegend Trittbrettfahrer gibt, die andere Menschen in Angst und Schrecken versetzen, zeigt sich an einem Fall, der Anfang Dezember 2001 in Weiden verhandelt wurde.
"Angst und Schrecken verbreitete am späten Abend des 15.September ein Azubi mit einer Bombendrohung gegen eine Weidener Diskothek. Der 18-Jährige löste einen beachtlichen Polizeieinsatz aus, was er nun als `große Dummheit´ bezeichnete.
Zielobjekt der brisanten Drohung war die Disco `Super Sonic´. Der Angeklagte hatte sich am Computer in den Chatroom von `Antenne Bayern´´ eingeklickt, wobei er unter `Armee des neuen Milleniums´ firmierte. Der Anschlag, so seine Terrorbotschaft vier Tage nach der New Yorker Katastrophe, würde vor allem Gäste islamischen Glaubens treffen.
`Die Drohung wurde von uns äußerst ernst genommen´, berichtete ein Polizist als Zeuge. Man habe unverzüglich 17 Beamte samt Sprengstoffhunden zum Einsatz gebracht und das Lokal um Mitternacht mit den etwa 330 Gästen für eine Stunde geräumt. Den Angeklagten habe man erst Wochen später zu fassen bekommen: `Er hat es sofort zugegeben´. Ein politischer Hintergrund oder eine Zugehörigkeit zur rechten Szene sei bei dem Heranwachsenden nicht festgestellt worden.
Dem Bericht der Jugendgerichtshilfe entnahm Richter Weiß einen makellosen Werdegang des 18-Jährigen: einst Klassen- und Schulsprecher, tüchtig in der Lehre, weder Fremdenhass oder Suchtprobleme und keine Vorstrafen. Ein Motiv für die Tat sei nicht erkennbar" (NT v. 4.12.2001).
In anderen Fällen hatten Jugendliche nach den Milzbrandanschlägen in New York auch Briefe mit "Milzbranderregern" versandt und damit Alarm ausgelöst. Hier waren ebenso keinerlei politische Motive ausschlaggebend.
Die angeführten Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Sie zeigen, dass keinesfalls stets von einem rechtsradikalen oder allgemein politischen Hintergrund ausgegangen werden kann. Man sollte sich deshalb mit voreiligen Aussagen zurückhalten. Eine vorschnelle Festlegung auf eine bestimmte Tätergruppe hat sich in der Vergangenheit nicht selten als sachwidrig erwiesen. Seriöser ist da schon die Haltung der Polizei, die nach eigenen Angaben in verschiedene Richtungen Ermittlungen anstellt.
Die scharfe öffentliche Verurteilung der Anschläge in Weiden durch den Oberbürgermeister reichte der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde nicht aus. Sie verlangte demonstrativ und apodiktisch, dass der Oberbürgermeister persönlich sich für die Anschläge bei ihr entschuldigen müsse. Der Oberbürgermeister lehnte dies ab, mit dem Hinweis, dass er ja persönlich nicht für die Taten verantwortlich sei und er die Anschläge bereits mehrfach öffentlich verurteilt habe.
In der Folgezeit gab es zahlreiche stark überzogene Berichte in Presse, Rundfunk und Fernsehen über "die schlimmen rechtsradikalen Zustände" in Weiden. Insbesondere der Oberbürgermeister wurde schärfstens und meiner Meinung nach in äußerst unfairer Weise angegriffen. Auch die ganze Stadt wurde in eine Reihe mit Solingen, Mölln und Guben gestellt und als rechtsextremistisch unterwandert dargestellt.
Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde eröffnete schließlich auf der Homepage ihrer Firma ein öffentliches Internetforum, um den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, öffentlich im weltweiten Netz ihrer Entrüstung über den Oberbürgermeister und die Verhältnisse in Weiden Ausdruck zu verleihen.
Wie "objektiv" manche Vertreter der "öffentlichen Meinung" mit Weiden und dem Oberbürgermeister umgingen, zeigt sich z.B. in Aussagen der ehemaligen Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger (obwohl man doch gerade von einer Justizministerin noch am ehesten eine sachliche, differenzierende und juristisch einwandfreie Stellungnahme erwarten könnte!):
"Sabine Leutheuser-Schnarrenberger diffamierte die Max-Reger-Stadt bei einer Veranstaltung über Rechtsextremismus der Jungen Liberalen in Lilienthal als rechte, braune Hochburg. Die FDP-Bundestagsabgeordnete wörtlich: `Lilienthal ist nicht Weiden in der Oberpfalz oder Guben in Brandenburg´ . Mit der Aussage stellte die FDP-Politikerin klar, dass es in Lilienthal keine ausgeprägte rechte Szene gebe - wohl im Gegensatz zum oberpfälzischen Weiden, das sie in einen Topf mit Guben wirft. Dabei hatten in der brandenburgischen Gemeinde Lilienthal Rechtsradikale ein Asylbewerberheim abgefackelt. Anschließend sollte der Vorfall vertuscht werden" (NT v. 8.9.2001). (Die Vorfälle in Weiden - Steine und Farbe gegen Einrichtungen - sind nach Aussagen von Frau Leutheuser-Schnarrenberger also viel schlimmer als die Bedrohung von Menschenleben durch einen Brandanschlag!).
Sehr bezeichnend ist ferner, dass Frau Leutheuser-Schnarrenberger bei ihrem späteren Besuch in Weiden nur ein "Vier-Augen-Gespräch" mit der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde führte, aber für einen Besuch mit dem Oberbürgermeister keine Zeit fand. "Ich kenne ihn (den Oberbürgermeister) nicht, habe aber schon viel von ihm gehört" (NT v. 18.10.2001).
Nach ihren vorherigen massiven Anschuldigungen ist es geradezu grotesk, wenn Frau Leutheuser-Schnarrenberger bei ihrem Besuch in Weiden sich im Nachhinein ein "objektives Mäntelchen" umzuhängen versucht: "Da über die Anschläge auf die Jüdische Gemeinde Weidens viel geredet und geschrieben wurde, habe sie es vorgezogen, mich vor Ort zu erkundigen´. Doch lehnte es die ehemalige Justizministerin ab, vom Gespräch mit Gabi Brenner (Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde) zu berichten. `Ich ergehe mich nicht in Vermutungen oder nehme Bewertungen vor, da es keine Untersuchungsergebnisse gibt" (NT v. 18.10.2001).
Das konzertierte Vorgehen in Presse, Fernsehen und Internet gegen den Oberbürgermeister und die Stadt Weiden nahm meines Erachtens immer mehr die Form einer gezielten Rufmordkampagne an. Man wollte durch den Druck der öffentlichen Meinung das eingeforderte Verhalten im Sinne der political correctness (siehe hierzu Abschnitt 2.1) oder den Rücktritt des Oberbürgermeisters erzwingen. Hier sollte offensichtlich eine missliebige Person durch einflussreiche Meinungsmacher willfährig gemacht werden. Der Imageschaden für die Stadt, die ungerechtfertigt landesweit in Verruf geriet, wurde dabei billigend in Kauf genommen. Zwar kennt Herr Pauckstadt-Künkler (Forumsteilnehmer) zahlreiche Leute, denen der Ruf der Stadt völlig egal ist, trotzdem meine ich, dass eine Rufschädigung keinesfalls unwidersprochen hingenommen werden sollte. Wer in dieser massiven Form über die Medien an die Öffentlichkeit geht, muss sich auch gefallen lassen, dass dieses Vorgehen kritisch hinterfragt wird.
In diesem Zusammenhang sind auch die Ausführungen des renommierten Journalisten Rüdiger Böss von Bedeutung. Herr Böss, der die Situation in Weiden aus seiner langjährigen Journalistentätigkeit in Weiden sehr gut kennt, spricht in seinem Forums-Beitrag u.a. von "selbstgefälliger Aggressionspolitik" der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde.
Da ich die Vorwürfe der Medien-Berichterstattung für völlig überzogen hielt, schrieb ich folgenden Leserbrief an die Heimatzeitung, Der neue Tag, Weiden:
"Erlebbare Wirklichkeit in Weiden ist anders
Wer in den vergangenen Wochen die zahlreichen Fernseh- und Zeitungsberichte über Weiden verfolgte, hat den Eindruck, dass Weiden ein äußerst gefährlicher Ort sei, der von der rechtsextremistischen Szene beherrscht wird. Zudem sehen die Behörden und politisch Verantwortlichen dem wüsten Treiben der zahlreichen Rechtsextremisten angeblich tatenlos zu.
Die Wirklichkeit ist nach meiner Erfahrung eine total andere. Weiden ist meiner Einschätzung nach eine liebenswerte Stadt mit durchwegs rechtschaffenen, toleranten und friedfertigen Bürgern. Sicher gibt es in Weiden, wie in jeder Stadt, auch ein paar Chaoten und Rowdys, die Schulen, Kirchen, Bahn- und Posteinrichtungen sowie Privathäuser beschmieren oder mit Steinen bewerfen. Derartige Idioten haben leider auch Einrichtungen der Jüdischen Gemeinde beschädigt. Dies ist zutiefst bedauerlich und zu verurteilen. Ich bin überzeugt, dass die Polizei alles Menschenmögliche unternimmt, um die Täter zu fassen. Allerdings ist das Ermitteln der Täter naturgemäß schwierig, genau so wie bei den Schmierereien an anderen Häusern der Stadt.
Die maßlos übertriebenen Anschuldigungen der Familie Brenner gegen Polizei, städtische Behörden und insbesondere Herrn Oberbürgermeister Schröpf sind jedoch keinesfalls hilfreich. Auch die Angriffe von Frau Brenner gegen führende Vertreter der Christlich-Jüdischen Gesellschaft entbehren in vielen Punkten jeglicher Grundlage und sind im Hinblick auf Verständigung und Toleranz kontraproduktiv. Frau Brenner hat es fertig gebracht, gerade die besonders engagierten Mitglieder der Christlich-Jüdischen Gesellschaft immer wieder vor den Kopf zu stoßen. Auch bei der Kundgebung des Aktionsbündnisses gegen Rechtsradikalismus hat Frau Brenner durch haltlose Vorwürfe keinen guten Schlusspunkt gesetzt (sie wollte unbedingt am Schluss sprechen!). Ich kann gut verstehen, dass Herr Oberbürgermeister Schröpf und die CSU aus dem Bündnis ausgetreten sind.
Angesicht des eklatanten Unterschieds zwischen medialer Berichterstattung und der täglich erlebbaren Wirklichkeit in Weiden kann mit Fug und Recht von einem inszenierten Rufmord an der Stadt Weiden gesprochen werden".
Etwas überrascht war ich dann über die starke Reaktion der Bevölkerung von Weiden auf den oben abgedruckten Leserbrief. Tagelang stand das Telefon kaum still. Alle Anrufer signalisierten ihre uneingeschränkte Zustimmung. Der fast durchgängige Grundtenor der Anrufe war folgender:
"Sie haben mir aus dem Herzen gesprochen. Ich wollte eigentlich selber bereits einen Leserbrief diesen Inhalts schreiben, aber ich habe nicht den Mut gehabt, denn wenn man jüdische Mitbürger sachlich kritisiert, wird man sofort in die rechte Ecke abgeschoben".
Die Anrufe kamen aus allen Schichten der Bevölkerung (Unternehmer, Geschäftsführer, Beamte und Angestellte). Zum Teil gaben die Anrufer an, dass in ihrem Sportverein oder am Arbeitsplatz auch über den Leserbrief diskutiert wurde und auch diese Kolleginnen und Kollegen vollinhaltlich die angesprochenen Sachverhalte bestätigen.
Am 2.1.2001 stellte ich obigen Lesebrief in das "Brenner-Forum" ins Internet ein. Dieses Internetforum wurde vermutlich vorwiegend von Kunden der Firma Brenner besucht. Der Link zum Forum war direkt auf der Homepage der Firma installiert. Eine Reihe von Beiträgen beginnen etwa mit folgender Formulierung: " Eigentlich habe ich diese Seite aufgerufen um eine Bestellung "loszuwerden"...Nun lese ich schon fast zwei Stunden die Berichte über die erschreckenden Ereignisse in Weiden"). Eine Hinleitung auf das Forum gab es auch auf der Homepage von "www.judentum.de". Hier war die Firma Brenner durch ein Inserat vertreten.
Ich erwartete eigentlich eine sachliche Diskussion und einen Meinungsaustausch, der zum gegenseitigen Verständnis hätte beitragen können. Statt dessen gab es von Anfang an persönliche Angriffe und Verunglimpfungen. Auf den Inhalt des Leserbriefes ging man kaum ein. Man machte mir dagegen zum Vorwurf, dass ich diesen Leserbrief geschrieben habe und kreidete es auch massiv der Zeitung an, dass sie diesen Leserbrief abgedruckt hat.
Ein Forumsteilnehmer, der nach eigenen Angaben mit Frau Brenner zahlreiche Bildungsveranstaltungen "gegen Rechts" an Schulen in Norddeutschland durchgeführt hat, schrieb z.B. aufgrund des Leserbriefs:
"Leute wie Herr Witt machen in trautem Verband mit ihrem Herrn OB Weiden zu einem Sebnitz UND NIEMAND ANDERS" .
Es ist schon erstaunlich, dass Menschen, die vorgeben für Toleranz, Menschenwürde und Integration einzutreten, gegen Andersdenkende äußerst intolerant und (zumindest sprachlich) in erschreckender Weise gewaltbereit sind (siehe z.B. Beitrag von "Leporello" vom 3.1.2001: "Ich würde Sie gerne ungespitzt in den Boden schlagen" oder den Beitrag von Miriam: "Man schlage ihnen (den `Hardcore-Nazis´) mit schweren Eisenhämmern in die Fresse" - das Zitat hat Miriam übrigens aus dem jüdischen Internetforum `hagalil´ übernommen).
Im Laufe der Diskussion nahmen die Verunglimpfungen und Herabwürdigungen von Andersdenkenden immer rüdere Formen an. "Beliebte Ausdrücke" waren z.B.: "Antisemit", "Nazi", "verachtenswerter Nazi", "Nazi-Pest", "Betonkopf", "Missgeburt", "Kleinbürger", "Lakai des OB", "braune Gespenster", "Kreaturen", "Unmenschen", "dummer aufrechter Abschaum", "braune Sauce", "braune Pest", "hirnamputiert", "intelligenzfreie Zone" etc.
Der Gipfel der Aggression war schließlich folgender öffentlicher Aufruf im Netz:
"Haut diesen Oberbürgermeister kräftig in die Fresse!!!! Zwingt ihn aus seinem Amt. Er ist eine Schande für Deutschland" (Eintrag v. 3.3.2001). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Betreiberin des Forums diesen menschenverachtenden Aufruf zur Gewalt trotz mehrfacher Aufforderung längere Zeit nicht gelöscht hat.
Bei den öffentlichen Angriffen gegen den Oberbürgermeister könnte zu einem gewissen Grad auch ein parteipolitischer Aspekt eine Rolle gespielt haben. Während des Forums gab es bereits Gerüchte, dass Frau Brenner, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde und Betreiberin des Forums auf der SPD-Stadtratsliste kandidieren würde (der OB gehört der CSU an). Inzwischen haben sich die Gerüchte bestätigt. Frau Brenner wurde sogar mit dem Titel "Sozi des Jahres" geehrt (NT v. 9.4.2001). So ist es nicht verwunderlich, dass viele SPD-Repräsentanten auf der "Verurteilungswelle" gegen den OB "mitgeschwommen" sind (z.B. der SPD-Kandidat für die OB-Wahl, SPD-Abgeordnete, der Münchner SPD-OB Ude bis hin zu Bundeskanzler Schröder). Bundeskanzler Schröder hat ja schon beim Besuch der Frau Kantelberg-Abdullah in Sebnitz ganz freimütig in die Fernsehkameras gesprochen: "Es kann ja nie schaden, wenn man eine Parteifreundin unterstützt". Wie die ehemalige Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger fand auch unser Bundeskanzler bezeichnender Weise in Weiden nur den Weg zur Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde und nicht ins Rathaus zum Oberbürgermeister der Stadt.
Leider wurden zunehmend anonyme Beiträge in das Forum eingestellt. Eine solche Vorgehensweise erschwert eine offene und ehrliche Diskussion ganz erheblich. Es sollte in unserer Demokratie, die umfassend Meinungsfreiheit grundgesetzlich garantiert, möglich sein, offen zu seiner Meinung zu stehen. Demokratie lebt geradezu von einem offenen Meinungsaustausch. Das Bundesverfassungsgericht hat den Schutz der freien Meinungsäußerung mehrfach als sehr bedeutsam betont und die Meinungsfreiheit sehr großzügig ausgelegt. Gerade wer Toleranz auf seine Fahnen geschrieben hat oder eine "Multi-Kulti-Gesellschaft" propagiert, müsste eigentlich die Meinung des Andersdenkenden in besonderer Weise respektieren.
Die Realität ist leider eine andere. In diesem Forum hat sich ganz deutlich gezeigt: Wer gegen die Mainstream-Meinung angeht, wird in äußerst intoleranter Weise mit einer Vielzahl von Beschimpfungen belegt. Man würdigt den Kontrahenten, der sich nicht willig der eigenen Meinung anschließt, in menschenverachtender Form herab. Mit einer solchen "Kreatur" oder einem solchen "Abschaum" braucht man sich dann nicht mehr sachlich auseinandersetzen.
Mitunter wird dann der Andersdenkende sogar noch mit dem Verdikt bedacht: "Solche Leute braucht Deutschland nicht!".
Schlagworte wie "Nazis raus" führen jedoch gewöhnlich nur zur Verhärtung der Positionen und bringen die andere Seite dazu "Ausländer raus" zu rufen. Dabei sollte es in unserem Rechtsstaat jedem klar sein, dass keine Gruppe sich anmaßen darf, einen anderen Menschen des Landes zu verweisen. Für Sanktionen bei Verfehlungen ist einzig und allein die Justiz zuständig. Dies müssen auch die Radikalen beider Pole und natürlich auch jene, die zum "Aufstand der Anständigen" aufrufen, akzeptieren, wenn sie sich nicht außerhalb des Grundgesetzes stellen wollen.
Die Verächtlichmachung von Menschen ist nicht nur menschlich völlig inakzeptabel und ein Zeichen von Inhumanität und Intoleranz; sie ist sozusagen auch eine Strategie, einer unangenehmen sachlichen Diskussion auszuweichen. Dies kann man im Forum an vielen Stellen erkennen. Innerhalb der eigenen Meinungsgruppe bestätigt man sich gleichzeitig, welch hehre Ansichten man selbst hat im Gegensatz zu den Meinungen dieser "Untermenschen".
Gerade nach den schrecklichen Erfahrungen während der Hitler-Diktatur, wo Juden, Sinti und Roma oder Homosexuelle gezielt mit Worten wie "Untermensch" oder "Abschaum" gedemütigt wurden, dürften solche menschenverachtenden Ausdrücke in einer humanen Gesellschaft nicht mehr verwendet werden.
Manchmal "beschleicht einen das ungute Gefühl, dass hier mit Mitteln zurückgeschlagen wird, deren sich die nationalsozialistische Demagogie bediente. Auch sie präsentierte ihre Feinde als Ungeziefer oder geistig Kranke" (FAZ v. 6.4.2001).
Als Folge der intoleranten Haltung vieler Diskussionsteilnehmer wird es verständlich, (wenn auch nicht akzeptabel), dass zunehmend Teilnehmer meinten, in die Anonymität ausweichen zu müssen. Nach den Erfahrungen in diesem Forum kann ich besser verstehen, warum zahlreiche Bürger nach meinem Leserbrief in der Zeitung Der neue Tag, Weiden meinten, es sei riskant, öffentlich sachliche Kritik an einem jüdischen Mitbürger zu äußern, "weil man dann gleich in die rechte Ecke abgeschoben wird".
Insgesamt liefert das Diskussionsforum (Kapitel 3) ein interessantes Anschauungsmaterial, wie durch Herabwürdigungen und ein äußerst rigides Einfordern der "political correctness" ein Verständigungsprozess geradezu verhindert wird.
Verschiedene Forumsteilnehmer haben darauf hingewiesen, dass die Beiträge in sehr unterschiedlicher Weise äußerst aufschlussreich sind. Herr Ludwig Murs hat deshalb vorgeschlagen, dieses Forum "einzufrieren" damit es weiterhin für Betrachtungen diverser Phänomene zur Verfügung steht. Er meinte: "Wir alle sollten unsere Söhne und Töchter einladen, sich das anzusehen" (Forumsbeitrag vom 22.2.2001).
Der einzelne Leser kann sich durch die Beiträge im Forum ein eigenes Bild über die Tatsachen in Weiden machen. Zusätzlich zur konkreten Situation in Weiden sind jedoch die deutschlandweiten Reaktionen von Politikern und Medien äußerst aufschlussreich. Sie vermitteln einen Einblick in bedeutende gesellschaftliche Wirkmechanismen.
Der Weg zu einer Verständigung wird sicher immer wieder beschwerlich sein, aber es gibt keine vernünftige Alternative dazu. Schließlich muss es unser aller Ziel sein, trotz unterschiedlicher Anschauungen, Religionen und politischer Auffassungen gewaltfrei und solidarisch in unserer Gesellschaft zusammenzuleben. Die Achtung der Person des Andersdenkenden ist hierbei eine unabdingbare Voraussetzung. Persönliche aggressive Herabwürdigungen sind dagegen immer als Alarmzeichen zu sehen. Geschichtlich gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass Gewalthandlungen oft mit "gewaltbereiter Sprache" begannen. Deswegen habe ich an verschiedenen Stellen im Forum eine humanere, "gewaltfreie" Sprache angemahnt - leider meist vergeblich.
Während also verbale und erst recht natürlich physische Gewalt völlig ausgeschlossen sein müssen, so ist es doch legitim, auch Aktionen Angehöriger von Minderheiten einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Ich halte sehr viel von Minderheitenschutz in unserem Land. Dies ist jedoch keinesfalls gleichbedeutend mit Tabuisierung oder einem generellen Kritikverbot. Gerade durch Tabuisierungen und durch political correctness erzwungene Unterdrückungen von Wahrheiten werden Ressentiments aufgebaut, die einer Verständigung und einem gedeihlichen, friedlichen Zusammenleben im Wege stehen.
Wäre die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Weiden zu unrecht in einer "konzertierten Aktion" in Presse, Funk, Fernsehen und Internet angegriffen worden, wie im vorliegenden Fall der OB, so hätte ich mich sicherlich mit der gleichen Intensität für sie eingesetzt.
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